Ortsgeschichten

Michaeltruppe-Zeitzeugengespräch mit Herrn Franz Reiff am 01.02.2020 – 

Die Sitzplätze reichten nicht aus, so zahlreich folgten Krufter Bürger und Bürgerinnen der Einladung des „Förderverein Heimatgeschichte und Alte Propstei e.V.“
Herr Reiff, Jahrgang 1926, schildert wie er als Jugendlicher die menschenverachtende Herrschaft der Nazis erlebte.
Seinen spannenden Vortrag ergänzte er mit dem doppelten Apell: Seid wachsam gegenüber den „Alternativen“ für Deutschland-ganz genauso fing es damals an,
und: nur ein einiges Europa kann in der Welt mitreden!

Herr Reiff erzählt seine persönliche Geschichte:

Ich wurde am 3. Dezember 1926 als Sohn, eines Landwirts Sebastian Reiff und der Frau Anna geb. Blum aus Thür geboren. Der Vater war schwer kriegsbeschädigt vom 1. Weltkrieg. Waren 7 Kinder, 4 Jungen und 3 Mädchen. Als ältester Sohn musste ich schon sehr früh in der Landwirtschaft mitarbeiten. Im April 1933 wurde ich in die Volksschule Kruft eingeschult.

Am 30. Januar war Hitler an die Macht gekommen. Er war am 20. April 1889 in Braunau in  Österreich geboren. Zu seinem Geburtstag am 20. April mussten wir als Erstklässler bei der Feierstunde folgendes Lied singen:

Ich bin Adolf Hitler kleiner Soldat Juchei, Juchei, Juchei.

Ich trug mit Stolz sein braunes Kleid, bin ihm zu dienen gern bereit Juchei, Juchei, Juchei.

Unsere Klassenlehrerin war eine Frau Göbels. Die Lehrer schwenkten berufsbedingt schnell Parteilinie ein. In der Taurengasse 5, mein Elternhaus, hatten wir auch jüdische Nachbarn. Der Viehhändler Julius Salomon mit seinen 3 Töchtern, XXX, Hannelore und Marianne, die Familie Abraham mit Herbert und Kurt und vorn in der Kretzergasse wohnte die Familie Sternfeld. Die Mädchen waren mit meiner ältesten Schwester Mathilde befreundet. Wir Jungen spielten mit Herbert und Kurt. Anmerkung: Jüdische Familien sind in der Krufter Chronik von 1981 schon in der Feuerversicherungsliste Assecurans ab 1819 verzeichnet. Israel Simon, Simon Kahn, Benedikt Kohn, Simon Salomon, Abraham Kahn, Isack David, Wolf Abraham. Sie waren Krufter Bürger und Deutsche. Keiner wäre damals auf die Idee gekommen Sie als Juden auszugrenzen.

Mit Beginn des 3. Reichs änderte sich alles. Hitler hatte in seinem Buch „Mein Kampf“ schon angekündigt, was er mit den Juden vorhatte. Junge Ehepaare bekamen bei der standesamtlichen Hochzeit dieses Buch. Vor dem Haus Salomon standen 2 Linden. Dazwischen ein Schaukasten mit Glastüren, seitlich waren 2 Köpfe angebracht mit riesigen Nasen, die wohl Judenköpfe darstellen sollten. In dem Schaukasten hing der „Stürmer“, ein Hetzblatt gegen die Juden von Julius Streicher. Er war Gauleiter von Oberfranken und ein schlimmer JudenXXXX und üblicher Hasser und Hetzer.

Ich habe erlebt wie die Gestapo einen jungen Mann aus der Taurengasse gewaltsam ins Auto gezerrt mitgenommen hat.

Ich habe erlebt wie die Krufter SA einen, alten Mann mit einem Schild um den Hals „Ich bin ein Dieb, weil seine Ziegen an einem Kleefeld Klee gefressen hatten“, durchs Dorf geführt hatten. Er musste sich bei den betroffenen Grundstückseigentümer, der aus dem Fenster schaute, entschuldigen. Im Mai 1940 während des Frankreichfeldzuges stand der Einsatzwagen des Reichmarschalls, Hermann-Josef Göring auf dem Maifeld vor einem Tunnel. Göring traf sich damals im Hotel Waldfrieden am Laacher See mit Offizieren. Auf der Terrasse saßen die Pastoren Johannes Schulz aus Nickenich und Josef Zilliken, Pastor aus Wassenach. Weil Sie Göring nicht grüßten, wurden sie in der folgenden Nacht verhaftet und ins KZ Dachau gebracht. Dort sind beide 1942 gestorben.

Ab 1938 Stiftsche Oberschule für Jungen Andernach. Am 09. November 1938 war die Kristallnacht. In Andernach hat die Synagoge gebrannt. Wir kamen mit dem Zug nach Andernach und sind nicht zur Schule, sondern in die Stadt gelaufen. Überall wo Juden wohnten, waren die Schaufenster eingeschlagen und es lagen überall Textilien und Einrichtungen auf der Straße, Sprüche wie „Juden verrecke“ waren an die Häuser geschmiert.

Nach all dem Erlebten war es 1942 für mich relativ leicht der Michaeltrupp beizutreten, als ich von Hans Klemens Weiler angesprochen wurde. Ich war mir auch im Klaren, welches Risiko ich einging als ich die Vorhaben der Truppe erfuhr. Unter anderem war Hauptziel die Bevölkerung aufzuklären über das Mordprogramm der Nazis „Tötung unwerten Lebens in Hadamar z. B. durch Verbreitung der Hirtenbriefe des Kardinals von Galen „XXX von Münster“, der in seinen von den Nazis verbotenen Hirtenbriefen das XXXX. Als Mitglied konnten wir uns durch eine Metallplakette ausweisen. Auf der einen Seite war ein Relief von St. Michael, dem Apostel der Deutschen, auf der anderen Seite eine Nummer. Als Krufter kannten wir nur wenige Mitglieder, mit denen wir uns öfter in der Johannes Kapelle am Korretsberg trafen. Wir nutzen nicht den Wingertsberg. (Straße zum Treffen, sondern benutzten einen Pfad durch die Wachelei). Bei den Treffen wurden Informationen ausgetauscht, Verhaltensregeln eingeschärft und dann auch die korrigierten Hirtenbriefe verteilt. Als Anfang August 1943 durch eine Unachtsamkeit von Hans Klemens Weiler die Gestapo Wind von der Sache bekam, wurden Hausdurchsuchungen bei der bei Gestapo bekannten Mitglieder gemacht. Gesucht wurden Mitgliedsmarken. Mehrere Mitglieder wurden verhaftet und kamen auf Burg Stahleck am Rhein, einem Jugendumerziehungslager. Willi Lohner und Hans Klemens Weiler kamen in das Jugend-KZ Moringen, wo sie erst 1945 beim Einmarsch der Amerikaner freikamen. Wie ging es mit mir weiter: Ich war im Segelfluglager Kastellaun Hunsrück. Morgens am Tag nach der Hausdurchsuchung stand meine Mutter am Garagentor und fragte mich, was ich angestellt hätte. Sie berichtete von der Hausdurchsuchung durch die Gestapo. Ich bekannte, dass ich auch Mitglied der Michaeltruppe sei. Ihre nächste Botschaft war, dass ich mich sofort nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub bei der Gestapo in Koblenz melden müsse. Ich bin dann mit der Bahn nach Koblenz gefahren und habe mich bei der Gestapo gemeldet „Großes Gebäude“, ich glaube heute Deinhardplatz. Ich habe die Uniform HJ angezogen, da ich als ausgebildeter Segelflieger zur fliegerischen Bevölkerung gehörte „damaliger Begriff“. Bei der Gestapo wurde ich in einen kleinen Saal geführt. Es stand ein langer Tisch in der Mitte. Dahinter saßen 3 Gestapobeamte. In der Mitte Herr Oswald, der Leiter der Gestapo Koblenz. Links und rechts am Tisch saßen 2 Frauen mit Schreibmaschinen. Herr Oswald begrüßte mich mit den Worten: „Da kommt ja der Räuberhauptmann“. Dem habe ich widersprochen. Dann begann das Kreuzverhör. Es ging neben vielen anderen Fragen um 2 Dinge. „Gehört der Krufter Pfaffe auch zu eurer Bande und wer hat die Hirtenbriefe vervielfältigt. Bezüglich des Pastor XXX habe ich erklärt, dass er mit der Sache absolut nichts zu tun habe, aber entsprechende Aussagen, die ich nur bestätigen soll. Meine Antwort: Dann sind sie belogen worden. Es kommen während des Kreuzverhörs immer wieder Einwürfe. „Ich habe doch soeben das gesagt“. Meine Antwort: Dann haben Sie nicht richtig zugehört. Ich habe das gesagt. Die Frage, wer die Hirtenbriefe vervielfältigt habe, habe ich mit nein beantwortet. Trotz Drohungen bin ich dabei geblieben. Nach dem ein längeres Kreuzverhör für die Gestapo nichts gebracht hat, wurde ich mit den Wort entlassen: Sie hören noch von uns. Auch mein Vater musste noch zum Verhör der Gestapo. Zu den Hirtenbriefen: Diese wurden von meiner Kusine Anna Müller geb. Reuter, die bei der Firma Tubag Büroangestellte war, auf der Schreibmaschine vervielfältigt. Hierfür nahm sie sich Urlaub, fuhr zu ihrem Onkel Severin Reuter, der in Bausendorf b. Wittlich Pastor war und hat auf dessen Schreibmaschine die Hirtenbriefe vervielfältigt. Die Gestapo hat von den vorhandenen Schreibmaschinen in Kruft Schriftproben genommen, um gegebenenfalls die Maschine zu finden, mit der vervielfältigt wurde. Bei der Hausdurchsuchung durch die Gestapo hatte Ludwig Schütz, auch ein Mitglied der Michaeltruppe, diese im Hühnerstall versteckt. Bei der Gestaporazzia hatte er sich in der Wachelei versteckt. Wie ging es weiter:

Ich entging einer erzwungenen Freiwilligenmeldung zur Waffen SS, und meldete mich freiwillig zur Luftwaffe. Die Freiwilligenmeldung zur Waffen SS erfolgte nach einer XXXXbildaufnahme für die Musterung. Beim Verlassen des Aufnahmeraumes saßen an einem Tisch 2 Soldaten, ich glaube es waren Offiziere und sagten, hier müsst ihr noch unterschreiben. Wir wussten nicht, dass es eine Freiwilligenmeldung zur SS war. Als dann aber einige von unserem Jahrgang eine Einberufung zu SS aufgrund der Freiwilligenmeldung erhielten, wurde ich hellhörig und meldete mich freiwillig zur Luftwaffe. Nachdem bei der Luftwaffe wegen Treibstoffmangel keine Ausbildung als Flugzeugführer möglich war, wurden wir anderen Waffengattungen überstellt. Ich kam als Sturmpionier zur 116. Panzerdivision (Windhunddivision). Nach der Ardennenoffensive 16. Dezember 1944 hat auch die Gestapo meine Spur verloren. Am 7. April 1945 geriet ich in amerikanische Gefangenschaft und kam in das Lager Rennes in Frankreich. Im August 1945 wurden wir als Arbeitskräfte an die Franzosen übergeben. Am 22. Dezember 1948 endete meine Gefangenschaft. Ich habe nach der Heimkehr die Firma Reiff gegründet. War ab 1956 im Gemeinderat und wurde 1974 Bürgermeister von Kruft. Dieses Amt hatte ich bis Juli 1998 inne. Als ich Bürgermeister wurde, habe ich die Johanneskapelle für die Gemeinde erworben und durch Krufter Handwerker reparieren lassen. Die Kapelle war halb verfallen ohne Fenster und Tür. Erbaut wurde die Kapelle 1937 durch eine Stiftung eines Arztes XXX Schmitz, der früh verstorben ist. Gedenktafeln an ihn und seine Eltern sind in der Kapelle angebracht. Die Johannesfigur wurde 1937 von dem Bildhauer Jakob Schmitz angefertigt. (Anmerkung: Schmitz hat auch die Figuren der Krufter Weihnachtskrippe geschnitzt). Heute wird die Johanneskapelle von der Krufter CDU betreut und das Umfeld gepflegt. Als Gedenkstätte und Mahnmal an eine schlimme Zeit ist sie erhaltenswert. Ein Gedenkstein neben der Kapelle erinnert an die Michaeltruppe.

Gez. Franz Reiff

Die folgenden Fotos zeigen die Johanneskapelle, oberhalb von Kruft, ein heimlicher Treffpunkt der Gruppe und Herrn Reiff während seines Vortrags

Herr Franz Reiff während seinem Bericht

Ortsgeschichte

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